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Betrachtung des Frieses unter formalem Aspekt
Die vorliegende Arbeit Otto Mindhoffs umfaßt vier Linolschnitte querrechteckigen Formates mit den jeweiligen Maßen von rund 65,5 x44,5 cm. Die vier Blätter sind in der Mitte gefaltet und in die Kunstmappe eingelegt, wodurch es dem Betrachter ermöglicht wird, jede einzelne Darstellung zunächst sowohl formal als auch inhaltlich als «automatisches», das heißt von den drei anderen Darstellungen weitgehend unabhängiges Bild zu rezipieren. Die eigentliche künstlerische Intention Mindhoffs sieht jedoch von die vier Darstellungen – einem fortlaufenden Band oder auch einem Fries vergleichbar – nebeneinander gereiht zu betrachten, wobei die einzelnen Darstellungen von rechts nach links gelesen werden. Hieraus ergibt sich folgende Situation: die olive Hand der ersten Darstellung zeichnet einen blauen Kopf, die blaue Hand der zweiten Darstellung, zum blauen Kopf der ersten gehörend den oliven Kopf (der zweiten Darstellung), die olive Hand des dritten Blattes, zum oliven Kopf des zweiten gehörend den schwarz-weißen Kopf der dritten Darstellung, während die schwarze Hand des vierten Blattes, die das Schwarz des dritten Kopfes wieder aufnimmt, den gelben Kopf der vierten Darstellung zeichnet. Dieser sich durch die vier Darstellungen ziehende Zyklus einer lHand die immer in direktem Bezug zum Kopf der vorhergehenden Darstellung steht, endet streng genommen nicht mit der vierten Darstellung, sondern läßt sich auch zwischen dem vierten und dem ersten Blatt fortsetzen: die olive Hand des ersten Blattes stammt vom gelben Kopf des vierten.

Wenn somit einzelne Elemente der Darstellung formal zwar immer miteinander verknüpft sind (und dieser Bezug eben nur dann gesehen werden kann, wenn die vier Blätter nebeneinander liegen), so gehen die Darstellungen dennoch nicht nahtlos ineinander über, sondern bewahren ihre durch die Bildfläche vorgegebene Selbständigkeit. Gerade diese Selbständigkeit der einzelnen Darstellung ist es wiederum, die in nicht unerheblichem Maße den Friescharakter der vier nebeneinander liegenden Bilder ausmacht, denn auch im klassisch antiken Fries bleibt das einzelne Ornament, das man in diesem Zusammenhang formal durchaus mit den vier abgebildeten «Bildformeln» vergleichen kann, als eigenständige Form stets erkennbar. Durch die Wiederholung dieser eigenständigen Form (oder Formel) entsteht eine «gleichmäßig gegliederte Bewegung», die Mindhoff dem innerhalb der Darstellungen sich Fortziehenden Wechsel von «Hand zu Kopf, Kopf zu Hand, Hand zu Kopf, Kopf zu Hand …» gewissermaßen «unterlegt» hat.


Die inhaltliche Aussage
Es ist auffallend daß die zwei -Symbole der Hand und des Kopfes in jeder Darstellung an annähernd gleicher Stelle stehen, die einzelnen Köpfe stets in strengem Profil nach links gewandt sind während alle vier Hände dieselbe künstlerische Arbeit das Zeichnen, verrichten, wohingegen der Künstler gleichzeitig darauf verzichtet hat, einen bestimmten. sich durch die Darstellungen ziehenden Entwicklungsprozeß – möglicherweise vom unvollendeten bis hin zum vollendeten Kopf – aufzuzeigen. Auch geht es Mindhoff nicht um das Zeigen eines zusammenhängenden Handlungsablaufes. sondern um das Sichtbarmachen eines gegenwärtigen Zustandes, der (von Darstellung zu Darstellung) stets aufs neue festgehalten wird während der Status Quo, von Kopf zu Kopf nur wenig modifiziert hiervon nahezu unberührt bleibt. Dies drückt sich in der Darstellungsweise der beiden Zeichen «Kopf» und «Hand» aus.
So erhebt sich beispielsweise in der vierten Darstellung der flächenhafte Kopf des zum Technoiden gewordenen Menschen vor dem blauen Bildhintergrund wie eine parallel zur Bildfläche stehende Platte, wobei gewisse Elemente des Hintergrundes im Kopf selbst wieder auftauchen. Hierbei erschreckt es umso mehr diese «Elemente», des ihnen (in der Umwelt des Menschen/ eigenen Sinns und Zwecks entkleidet und damit zur leeren Floskel geworden, als «Ersatz»-teile für menschliche «Kopf»-Teile wiederzufinden. Das Wesen, das bei dieser Symbiose entsteht ist nicht mehr Mensch und noch nicht Roboter; es ist der Technoide, der zur Phrase gewordene Mensch, ein Werkzeug der von ihm selbst geschaffenen Technik, der sich seiner Menschlichkeit und seiner Würde hierdurch letztendlich selbst beraubt hat.
Im Gegensatz hierzu ist die Hand in den vier Darstellungen weitaus plastischer gestaltet und sehr viel eindeutiger einer menschlichen Hand nachempfunden. Wie dies auch beim realen Vorgang des Zeichnens üblicherweise der Fall ist, so hält auch die dargestellte Hand den Zeichenstift zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger wobei der Daumen sich gegen die Innenfläche der Hand und die einzelnen Finger, sei es durch eine Konturlinie, sei es durch eine Schraffur deutlich abhebt.
Mindhoff hat die beiden Symbole «Kopf» und «Hand» demnach also mit unterschiedlichen Qualitäten ausgestattet, die man kurz mit «passiv» und «aktiv» umreißen kann. Erfolgt die Umwandlung des Menschen zum Technoiden durch die gedankenlose Verinnerlichung beliebiger und austauschbarer Elemente (wodurch der Mensch selbst gedankenlos und austauschbar wird) in passiver Weise, so wird die Hand und zwar die Hand des Bildenden Künstlers, deren Attribut der Bleistift ist, aktiv, indem sie den zur Bildformel erstarrten Kopf zu Papier bringt Diese Verstellung, durch das schonungslose Sichtbarmachen eines unmenschlichen Status Quo die Voraussetzung für eine Krítikfähigkeit an eben diesem Status Quo zu schaffen, ist in den vier Darstellungen sinnfällig geworden, wobei die Aktivität gleichzeitig die Zusammengehörigkeit von Kopf und Hand die sich formal in derselben Farbe ausdrückt, wiederum aufhebt – oder anders gesagt: nur durch die Tat kann die Hand auch menschlich, das heißt von der Vertechnisierung unberührt und damit im weitesten Sinne kreativ bleiben.
Die Vertechnisierung des Menschen ist Mindhoffs zentrales Thema. Zu denken ist hier beispielsweise an das 1977 entstandene Bild «Integriert» (im Besitz des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, Stuttgart), in dem der Kopf eingebaut in eine Maschine (bzw. die Maschine eingebaut in den Kopf erscheint. Die Verwebung des Menschen mit der Technik hat hier ihr alptraumhaftes Ziel das völlige Auslöschen der Individualität, erreicht.
In der vorliegenden Arbeit Mindhoffs tritt nun jedoch ein in dieser Deutlichkeit nach nicht formulierter Aspekt hinzu: das Festhalten der gegenwärtigen Verhältnisse (als das Kunstwollen Mindhoffs) erfolgt einerseits nicht nur durch das Bild, sondern im Bild selbst, wodurch der Künstler andererseits die gegenwärtige Misere (zu denken ist hier beispielsweise an eine zunehmende Uniformierung des Menschen) bezeugt. Von dieser Misere hat der Künstler sich im wahrsten Sinne des Wertes «ein Bild gemacht», das gleichzeitig die Mahnung beinhaltet. nicht in Passivität zu verharren, sondern gleichsam aktiv zu werden, da nur das aktive Handeln dem Menschen die Freiheit (von der Vertechnisierung/ gewährleisten kann.

 

Anette Roßnagel

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