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Ich bin nicht oft gefragt einen Aufsatz über meine Holz- und Linolschnitte zu schreiben. Wer macht sowas schon gerne? Überhaupt, welcher Künstler will sich schriftlich festlegen? Der eine hat einige Jahre künstlerische Arbeit auf den Schultern und hält seine Erfahrun-gen geheim, der andere zeigt jugendliche Begeisterung und erfährt formale und technische Grenzen und eine gewisse Skepsis gegenüber Wortakrobatik. Eine Zeichnung, Grafik oder Malerei ist immer die Spur die zurückbleibt, sie ist das Symptom eines Denkens und Fühlens, eines ganzen bildnerischen Prozesses. Es liegt an der Neugier und Erfahrung eines jeden in welche Richtung und wie weit sich seine Arbeit entwickelt, und es ist die Ausdauer, der Bildwille und der Instinkt, der Bilder schaffen kann, welche auch erfahrene und abgebrühte Augen noch neugierig machen. Das Wissen um die Lesbarkeit von Bildern und das Wissen um die Wahrnehmung sind Rüstzeug. Die neuere Kunst soll für Kopfschütteln sorgen, auch die Physik ist nicht bei Newton stehen geblieben.
Schwierig ist es, Einsicht in Auffassung und Haltung des bildenden Künstlers zu bekommen, wenn er sich der Deutung zu entziehen versteht oder Geschmack zu finden, wenn der Künstler sich mit tradierten Themen beschäftigt. Welches ist meine Auffassung?
Meine Auffassung richtet sich nach den Lebensumständen, in die ich gewachsen bin, aus welchen ich dann meine Arbeiten entwickelt habe. Ich habe in der Kunstakademie in Stuttgart viele Auffassungen von Studenten und Professoren erlebt, es war kurz vor dem Bilderboom der Postmoderne, meine Bilder waren gross, farbig und originell. Ich diskutierte und missionierte lebhaft, die Professoren waren mir gut gesinnt und unterstützten mich. Nach dem Studium ging ich nach Italien. Die Zeit widmete ich ganz der Malerei. Grosse Bilder entstanden. Ich stelle aus und verkaufte kaum. Rom brauchte mich nicht. Nach vier Jahren kehrte ich zurück nach Zürich. Den Lebensunterhalt verdiente ich dann als Kellner in einem Hotel. Ich zeichnete. Die Motive richteten sich ganz auf diese Hotelwelt. Daraus entstanden Zeichnungen und Linolschnitte von den Menschen, denen ich begegnet bin. Auch diese Bilderwelt erschöpfte sich, als ich meine Arbeit und Umgebung wechselte. Heute unterrichte ich, teile mit meiner Frau den Haushalt und die Erziehung unseres Kindes und arbeite bildnerisch vorwiegend im Holzschnitt und plastisch. Seit mein Sohn auf die Welt gekommen ist, zeichne ich vor allem weibliche Akte und bin seither dieses Themas nicht müde geworden.

Zu den Arbeiten in dieser Mappe:
Ich beginne meist mit der Kohlezeichnung. Mit ihr umreisse ich die Gestalt, wobei mir die Linie als solche viel erfüllt und bedeutet. Sie verbindet, trennt, umfasst, ragt rein oder raus, liegt an, bei oder über, und mit ihr ergeben sich die Formen und die Volumen. Dann folgt der Holzschnitt, die gezeichnete Linie wird Weisslinie, oder Kante von Flächen oder eine Farblinie. Die geschnittenen Formen drucke ich Rotbraun und Schwarz, dazu gesellt sich das Weiss des Papiers. Mit diesen drei Farben, den Grössenverhältnissen, dem Oben-Unten, Links-Rechts und den Überschneidungen schaffe meine Akte. Beim Akt ist es der Körper, seine Massen und seine Gliederung im Raum was mich beschäftigt. Auch spielt das Verhältnis zur Person, die ich portraitiere oder aktzeichne und die Stimmung im Raum eine Rolle, aber ich denke gerne an die abstrakten bildnerischen Mittel, arbeite in Zyklen, in welchen ich die für mich wichtigen Eigenarten des Holzschnittes so lange behandle, bis sich mir ihr Spielraum erklärt.

 

Michael Wissmann

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