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Sowohl visuell Erlebtes wie auch Gelesenes können mich gleichermassen betreffen. Die Erinnerung kann mir so nahe sein wie die Gegenwart. Ein geträumtes Bild ist mir so wesentlich wie die Landschaft vor meinem Haus. Vieles vermag in mir Bilder wachzurufen, Bilder, die meist nur im Alleinsein sichtbar werden, Bilder, die Erlebtes verfestigen, Erlebtes in einer Formensprache sichtbar werden lassen, die für mich lesbar wird. Ich meine nicht die aufgezeigten Gegenstände. Gewiss, es gibt auch einen Grund, warum ich sie gewählt habe. Ich meine vielmehr ihre Flächen, ihre Linien, die zackigen und die weichen. Das sind die Elemente, durch die Menschen und Bäume sichtbar werden. Diese Flächen und Linien, die weissen und schwarzen, ihre Verhätnisse zueinander und der sich durch sie bildende Gegenstand, sie sind meine Sprache, meine Bilderschrift. Nicht das beziehungslose Abbilden der Natur, sondern ein ehrliches Sichtbarmachen der inneren Bilder erzeugt Wirklichkeit.

Mir hat eine Reise nach Jugoslawien wesentlich geholfen, diese Bilder überhaupt wieder zu erfahren. Meine Kinder- und Jugendzeit verlebte ich auf dem Gutsbetrieb einer staatlichen Pflegeanstalt, dort war mein Vater als Bauer tätig. Ungläubig, oft entzückt, hörte ich von alten, mir als Kind manchmal furchterregend erscheinenden brummigen Männern, die ihren Rest Leben in der Anstalt absassen, wundersame Geschichten. Hauptsächlich abends erzählten sie meinem Vater von ihrem Schicksal. Da hörte ich dann von Sibirien, vernahm viel aus dem elenden Leben der Knechte und der Korber, von Velorennfahrern und Säufern, die mich dann bis ins Traumland verfolgten.

Bei den Bauern im Drautal, in den Rebhügeln am Rand der Podravina, wurden diese Menschen wieder lebendig, erinnerte ich mich wieder an Gesichter, an die fröhlichen und an die traurigen. Ich hörte auch wieder Geschichten erzählen, diesmal vom Krieg und von Wilderern. Ein Teil von alledem wird in meinen Holzschnitten sichtbar. Manchmal klingt nur die Melodie, eine Tonart des Erlebten mit. Ein Erlebnis, sei es nun gesehen, gehört oder gelesen, wandelt sich, wird sichtbar im Puppenspieler, beim Bärentanz oder in einer Landschaft aus dem ZürcherWeinland.

Ich suche weder ein politisches, noch ein religiöses Engagement auszudrücken. Aktuell sind für mich Geschehnisse, die mich treffen, und Erinnerungen, die mich bedrängen, bis ich sie in Bildern sichtbar mache.

Losgelöst von einer gesicherten Existenz, muss ich den Weg allein gehen, und es bleibt für mich ungewiss, wohin er mich führt. Diesen Weg zu finden, den Mut zur Selbständigkeitzu haben, dieses Dasein, glaube ich, schafft die Voraussetzung für meine Holzschnitte. Mir scheint, dadurch kann Erfahrbares den Bildbetrachter erreichen, betreffen, glücklich machen.

 

Heinz Keller

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